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Auskunftsrechte von Erben gegenüber Schweizer Banken 2016, Ideen zum Erbrecht

Michael Hamm und Jennifer Zimmermann FPSB Fach-Newsletter ESTATE PLANNING INSIGHTS / Ideen zum Erbrecht / Ostertun

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Schweizerische Banken schliessen mit ihren Kunden in der Regel Verträge mittels bankeigenen standardisierten Formularen ab. Dabei wird jeweils auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank verwiesen, welche im Regelfall eine Rechtswahl zugunsten des schweizerischen Rechts vorsehen. Hatte der Erblasser seinen letzten Wohnsitz im Ausland und wird das Bank-Kunden-Verhältnis von schweizerischen Behörden beurteilt, ist auf das Vertragsverhältnis zwischen der Bank und dem Erblasser im Regelfall folglich schweizerisches Recht anzuwenden (Art. 116 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht [IPRG]). Ausgenommen sind jene Fälle, in welchen das Bank-Kunden-Verhältnis als Konsumentenvertrag qualifiziert wird (vgl. dazu die Praxishinweise). Die Beziehung eines Bankkunden mit einer Schweizer Bank kann verschiedene Vertragstypen beinhalten, so namentlich Giro-, Depot- und Vermögensverwaltungsverträge. Die erwähnten Vertragsverhältnisse enthalten Elemente des Auftrags-, Hinterlegungs- und Darlehensrechts. Primär unterstehen jedoch die meisten Bank-Kunden-Verhältnisse dem Auftragsrecht im Sinne von Art. 394 ff. des schweizerischen Obligationenrechts (OR). Einschlägig mit Bezug auf die Auskunftsrechte gegenüber schweizerischen Banken ist Art. 400 Abs. 1 OR. Danach ist die Bank als Beauftragte jederzeit verpflichtet, Rechenschaft über die Konto- bzw. Depotführung abzulegen. Diese Rechenschaftsablegung beinhaltet sowohl eine Auskunftspflicht als auch eine Pflicht zur Herausgabe von Bankbelegen. Der Bankkunde hat demnach das Recht, über alles, was für ihn von Bedeutung sein kann, umfassend, wahrheitsgemäss und detailliert informiert zu werden (Bundesgerichtsentscheid [BGE 110 II 181, 182, E. 2]). Die Herausgabepflicht beinhaltet alles, was der Bank vom Bankkunden in Ausführung ihres Auftragsverhältnisses ausgehändigt worden oder von Dritten zugekommen ist, namentlich Dokumente, die sich auf die im Interesse oder auf Auftrag des Bankkunden getätigten Geschäfte beziehen. Ausgenommen sind rein bankinterne Dokumente wie Notizen und Entwürfe (BGE 122 IV 322, 328, E. 3c). Gestützt auf das Prinzip der Universalsukzession treten die Erben nach schweizerischem Recht automatisch in sämtliche Rechte und Pflichten des Erblassers ein. Hatte der Erblasser ein Rechtsverhältnis mit einer schweizerischen Bank, so werden die Erben folglich neue Berechtigte und Verpflichtete des entsprechenden Vertragsverhältnisses. Ob das Prinzip der Universalsukzession auch in einem internationalen Erbfall zu berücksichtigen ist, bestimmt das auf den konkreten Erbfall anwendbare Recht.


○○○ Praxishinweise


○ Mit Blick auf die Bestimmung des auf Bank-Kunden-Verhältnisse anwendbaren Rechts ist gemäss IPRG zu unterscheiden, ob ein Konsumentenvertrag im Sinne von Art. 120 IPRG vorliegt oder nicht. Dies ist insofern relevant, als im Falle eines Konsumentenvertrags die (in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Banken) üblichen Rechtswahlklauseln ungültig sind, vielmehr wäre das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Bankkunden anzuwenden. Dies jedoch nur dann, wenn die Bank im ausländischen Staat aktiv Kunden akquiriert hat.

Konsumentenverträge im Sinne von Art. 120 Abs. 1 IPRG sind Verträge über Leistungen des üblichen Verbrauchs, die für den persönlichen oder familiären Gebrauch des Konsumenten bestimmt sind. Massgebend ist dabei nicht nur die Zweckbestimmung des Vertragsverhältnisses, sondern auch das Vertragsvolumen. Folgerichtig liegt dann kein Konsumentenvertrag vor, wenn ein namhafter Betrag in Form von liquiden Mitteln oder Wertschriften bei einer Bank hinterlegt wurden (BGE 132 III 268, 273, E. 2.2.4). Höchstrichterlich nicht geklärt ist die Frage, ab welchem betragsmässigen Vertragsvolumen ein Konsumentenvertrag zu verneinen ist.

○ In Anlehnung an die bundesgerichtliche Rechtsprechung gehen gemäss schweizerischem Recht nicht nur sämtliche Vermögensrechte, sondern insbesondere auch die vertraglichen Auskunftsansprüche kraft Universalsukzession auf die Erben über (BGE 133 III 664, 667, E. 2.5).

○ In der Schweiz herrscht die Praxis vor, dass nicht alle Erben zusammen ein Auskunftsbegehren gegenüber der Bank stellen müssen, sondern jeder einzelne Erbe hierzu alleine berechtigt ist. Die erbrechtlich erworbenen Auskunftsansprüche bestehen in demjenigen Umfang, wie sie für den Erblasser gegolten haben (BGE 133 III 664, 667, E. 2.5). Zudem haben die Erben ein Recht auf jederzeitige und vollständige Auskunftserteilung gegenüber Schweizer Banken, wobei die Pflicht zur rückwirkenden Auskunftserteilung das Vertragsverhältnis überdauert (Schröder, Informationspflicht im Erbrecht, S. 100).

○ Für die Erlangung von Auskünften über schweizerische Bankkonti und -depots oder entsprechende Transaktionen verlangen die Banken in der Praxis als Legitimationsnachweis jeweils einen Erbschein. Bei ausländischen Kunden werden der deutsche Erbschein oder ähnliche gerichtliche Urkunden (z.B. auch das europäische Nachlasszeugnis) in der Regel akzeptiert.

○ Die Banken sind gemäss Bundesgericht nicht berechtigt, sich auf das Bankkundengeheimnis zu berufen, da die Erben selbst Geheimnisherren werden und das Bankkundengeheimnis ihnen gegenüber daher von vornherein nicht greifen kann (BGE 133 III 664, 668, E. 2.6).

○ Am häufigsten machen pflichtteilsgeschützte Erben vom Auskunftsrecht Gebrauch, um über lebzeitige Zuwendungen des Erblassers an andere Erben oder an Dritte Auskunft zu erlangen.

○ Ein virtueller Erbe hingegen, d.h. ein vollständig übergangener Pflichtteilserbe (z.B. durch umfassende testamentarische Zuweisung an andere Erben oder Dritte), kann seinen Auskunftsanspruch gegenüber Banken nicht auf den auftragsrechtlichen Informationsanspruch gemäss Art. 400 OR stützen. Vielmehr ergibt sich dieser aus dem anwendbaren Erbstatut. Dies deshalb, weil virtuelle Erben vorläufige „Nichterben“ sind und daher nicht in das Bank-Kunden-Verhältnis des Erblassers eintreten. Ihr Informationsrecht gründet nicht im Vertragsrecht, sondern kann einzig aus dem auf den Nachlass anwendbaren Recht abgeleitet werden. Dies gilt nur, sofern im anwendbaren Erbstatut ein entsprechender Anspruch vorgesehen ist.

○ Beim Gemeinschaftskonto (joint account) oder gemeinschaftlichen Depot stehen der Bank mindestens zwei Kontoinhaber als Kunden gegenüber. Ein UND-Konto zeichnet sich durch die zwingende, gemeinsame Verfügungsbefugnis aller Kontoinhaber aus, während beim ODER-Konto jeder einzelne Kontoinhaber alleine verfügungsberechtigt ist. Das Gemeinschaftskonto regelt lediglich die Beziehung der Kontoinhaber zur Bank. Die Regelung des Innenverhältnisses bzw. die Frage, welche Vermögenswerte von welchen Kontoinhabern beigesteuert worden sind, ist der Bank unbekannt. Verstirbt ein Kontoinhaber, so gehen dessen Auskunftsrechte gegenüber der Bank – je nach anwendbarem Erbstatut – auch bei Gemeinschaftskonti auf dessen Erben über (so auch BSK OR I-Weber, OR 400, N 9). Gemäss der herrschenden Lehre – nicht jedoch gemäss der Praxis der meisten Banken – gilt dies selbst dann, wenn die Kontoinhaber untereinander und mit der Bank eine sog. Erbenausschlussklausel vereinbart haben. Eine solche Klausel geht davon aus, dass die Erben eines Kontoinhabers nach dessen Versterben nicht in das Vertragsverhältnis mit der Bank eintreten, sondern dieses ausschliesslich mit dem überlebenden Kontoinhaber weitergeführt werden soll. Ob Erbenausschlussklauseln überhaupt rechtlich zulässig sind, ist umstritten. Falls sich eine Bank darauf beruft, hat dies jedoch in der Praxis zur Folge, dass die Erben des verstorbenen Kontoinhabers beim joint account lediglich Informationen bis zu dessen Todestag erhalten, nicht jedoch für die Zeit danach.

○ Eine weitere zeitliche Beschränkung der Auskunftsansprüche gegenüber Schweizer Banken findet sich in Art. 958f OR, wonach die Pflicht zur Aufbewahrung von Geschäftsdokumenten auf 10 Jahre begrenzt wird. Allerdings dürfen sich Banken nicht auf diese Beschränkung berufen, sofern weiter zurückliegende Unterlagen bis zur Begründung des Bank-Kunden-Verhältnisses tatsächlich noch vorhanden sind und sie daher zur Auskunft imstande wären.

○ Regelmässig sehen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von schweizerischen Banken einen Gerichtsstand in der Schweiz vor. Sollte der auftragsrechtliche Auskunftsanspruch von Erben gegenüber schweizerischen Banken gerichtlich durchgesetzt werden müssen, wären daher grundsätzlich die schweizerischen Gerichte am Sitz der Bank örtlich zuständig (Art. 23 LugÜ; Art. 5 IPRG). Wird ein Gericht in einem anderen Staat als der Schweiz angerufen, so bestimmt sich die Anwendbarkeit und Gültigkeit der entsprechenden Gerichtsstandsklausel nach dem am Gerichtsort geltenden Zuständigkeitsrecht.

○ Wird das Bank-Kunden-Verhältnis jedoch als Konsu-mentenvertrag qualifiziert und war die schweizerische Bank zudem im Ausland akquisitorisch aktiv (reine Internetwerbung ohne direkte Vertragsabschlussmöglichkeit reicht dabei nicht; BSK LugÜ-Gehri, LugÜ 15, N 58), sind im Voraus getroffene Gerichtsstandsvereinbarungen unzulässig. Dies hat nach schweizerischem Rechtsverständnis zur Folge, dass der Konsument die Wahl hat, entweder am Sitz der Bank oder an seinem Wohnsitz zu klagen (Art. 16 Ziff. 1 LugÜ; Art. 114 IPRG). Wird ein Gericht in einem anderen Staat als der Schweiz angerufen, so bestimmt sich die Zuständigkeit bei Konsumentenverträgen nach dessen Recht.

○ Anders als im IPRG wird bei Konsumentenverträgen im Anwendungsbereich des LugÜ, namentlich auch in Deutschland, nicht gefordert, dass der Bankvertrag eine Leistung des „üblichen Verbrauchs“ betrifft. So kann gemäss LugÜ beispielsweise auch ein

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